20. Marienberger Klausurgespräche

… ach, wie schnell die Zeit vergeht und doch so stille steht …
Ein Vierteljahrhundert Zeitdiagnostik zur Jahrtausendwende aus dem Benediktinerkloster Marienberg blickt vorwärtsgewandt zurück

20. Marienberger Klausurgespräche, 19.–21. März 2015

2015 jähren sich die 1992 initiierten Marienberger Klausurgespräche zum zwanzigsten Male. Zeit auch festlicher Rückbesinnung auf ein Vierteljahrhundert aktueller Zeitdiagnostik aus dem Benediktinerkloster Marienberg im Oberen Vintschgau. Die angemessene Form hierzu: Ausblick durch Rückblick. Zukunft hat, wer Vergangenheit hat; über die Vergangenheit aber bestimmt, wer die Gegenwart beherrscht, so sinngemäß George Orwell. Die Auswahl der Referentinnen und Referenten der Festveranstaltung erfolgte unter diesem Gesichtspunkt zur Handlungsangabe für das gegenwärtig wie zukünftig zu Leistende; nach Maßgabe der dominanten Verwerfungen und unter Aufnahme dessen, was die Vergangenheit als bessere Möglichkeiten immer auch schon mit sich geführt – jedoch, wie es nach heutiger Lage aussieht, verabsäumte, nicht aufgenommen hat.

Es geht also um Verfehlungen in der Gegenwart; um die verbissene Einhaltung einstmals als richtig erkannter Wege in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Und es geht durch ihre Bestimmung um die Wahrung besserer Lebenschancen für die Zukunft. Bei uns, in Europa, dem schwankenden und zaudernden, wo wir, eurozentrisch versammelt in Gleichgültigkeit gegenüber dem Rest der Welt und ihrem Leiden, dreist Besitzstandswahrung und Ausgrenzung kultivieren. Derweilen die existenzbedrohenden Probleme zunehmen, wohlfahrtsstaatlich, ökonomisch, demographisch, politisch. Bei uns! Die möglichen Auswege aus der Sackgasse des stetigen Mehr und Mehr in gleicher Ausrichtung sind seit jeher gegeben und jetzt mit dem Schock verbunden, dass das Gewohnte für ein auskömmliches Leben nicht mehr reichen wird. Das gestern und heute Gültige mithin keinen zureichenden Illusionsgrund mehr für uns bereit hält. Das Tröstliche darin, dass erneut nach unbekannten Lösungen gesucht werden muss, denn die hergebrachten haben versagt; fataler: uns in genau diese Situation verbracht, wie Albert Einstein wusste, daran Meinhard Miegel vor Jahren in einem Klausurvortrag erinnerte. Damit bleibt: uns erneut aufmachen, zu einer „zweiten Aufklärung“, so, in einer anderen Klausur, Bernhard von Mutius.

Uns also einer illusionslosen wie mühseligen Bewusstmachtung des Notwendigen und Nötigen zu befleißen, die nach der höchst erfolgreichen Rationalisierung samt ziemlich einseitigen Verwissenschaftlichung unseres modernen Lebens sich getrost auch anderer förderlicher Ausdrucksformen unserer Gattung erinnert und bedient. Nicht zuletzt des Tanzes, des Traums oder kluger Heuristik, die uns Jahrtausende lang über Wasser hielten.

Zur sinnigen Illustration solch alltagspraktischer Faustregeln sei auf den Kodex Hammurapis (3. Jahrtausend vor Christi Geburt) verwiesen, der vorsah, dass ein Brückenbaumeister zunächst selbst unter der von ihm ersonnenen und errichteten Brücke bis auf weiteres schläft, was wahlweise bei den republikanischen Römern vorsorglich noch auf Familienangehörige ausgeweitet worden ward. Was ihr Fehlen indes katastrophal bewirkt, lässt sich, höchst aktuell und den Schlussfolgerungen des Festvortrags zur 20sten Wiederkehr der Marienberger Klausurgespräche entnommen, so festhalten: „Für Austeritätsmaßnahmen in der heutigen Form gibt es keine überzeugende wirtschaftliche Argumentation – und auch keine zwingende moralische oder politische. In ihrer jetzigen Form ist die Sparpolitik schlicht ein großer Fehlschlag.“ (Florian Schui)

Es geht schließlich, wie immer im Benediktinischen Raum, um die Andacht der Besinnung, um die Freude an der Arbeit. Oder wie die heute so geschmähte, weise Antike wusste: Um Muße und Freundschaft. Also um Anmut und Zuwendung. Da darf, soll Musik nicht fehlen; sie trägt zur Feier ebenso bei, wie sie konzentriert. Deshalb, und nicht allein zum 20sten, kommt sie dieses Jahr prominent ins Spiel, wie Kunst als rettende Lebensäußerung insgesamt.

Hier das Programm.