17. Marienberger Klausurgespräche, 22.–24. März 2021
In einem Zwischenruf hat Meinhard Miegel, ein viel beachteter Referent vergangener Marienberg Klausurgespräche, am 11. Dezember 2011 darauf verwiesen, dass uns der „bislang gegangene, bequeme Weg verschwenderischen Ressourcenverbrauchs, gedankenloser Umweltverschmutzung, gesellschaftlichen Verschleißes und hemmungslosen Schuldenmachens“ in eine Sackgasse geführt hat. Daraus folgt für den Vorstandsvorsitzenden des Denkwerks Zukunft – Stiftung kultureller Erneuerung dennoch kein verbiesterter Pessimismus; im Gegenteil. Die unabweisbare Notwendigkeit für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, einen anderen, wohl langen und mühevollen Weg in eine neue, auch großteils unbekannte Weltwirklichkeit einzuschlagen und beizubehalten, hat auch ihr Gutes: sie eröffnet nämlich die Möglichkeit zu einer Neuorientierung insgesamt, die, so Miegel, etwas zukunftsfähiger als unser gegenwärtiges Handeln sein könnte.
Wohin dieser Weg nun genau führen wird, lässt sich gegenwärtig nicht ausmachen; dennoch, einige vertraute, letzthin freilich schwindende Grundhaltungen, wie etwa die solidarisch ausgelegte Gerechtigkeit, das Füreinander-Einstehen, die Verpflichtung des Vermögens und Reichtums, die Bedürftigen und Benachteiligten zu unterstützen oder Chancengerechtigkeit bar aller Floskeln ernst zu nehmen, werden dazu gehören.
Und der Aufbau einer Kultur der Achtsamkeit, der Überwindung von Pfadabhängigkeiten, Gruppen- und Wunschdenken, die das Unerwartete systematisch ausschließen, wie es Claus Leggewie, einer unserer Referenten formuliert hat. Dazu gehören laut dem Direktor des Kulturwissenschaftlichen Institutes in Essen: Empowerment einzuüben, Resilienz zu lernen, Selbst-Helfer-Mentalitäten aufzubauen, neue Übersichtlichkeiten zu schaffen, Basisinitiativen in Bewegung zu bringen. Kurzum, mit neuen, teils ungewohnten Partnern Bündnisse zu schließen, um grundlegend demokratisch zu werden. Diese „Große Transformation“ (Claus Leggewie) oder ihre Notwendigkeit ist, was Meinhard Miegel die gute Nachricht im gegenwärtigen Dilemma nennen würde.
Ob DAS ENDE DER WELT, WIE WIR SIE KANNTEN, so ein noch immer hochaktueller Buchtitel aus dem Jahre 2009 von Claus Leggewie und Harald Welzer zur Gegenwartssituation, zu einer Postwachstumsgesellschaft führen wird und was diese ausmacht, respektive was wir davon heute schon erspähen können, gehört zu den Forschungsinhalten von Angelika Zahrnt, einer weiteren Referentin 2012. Für sie ist „die Phase des Wirtschaftswachstums in den industrialisierten Ländern vorbei“. Doch „wenn Wirtschaftswachstum als (vermeintlicher) Problemlöser ausfällt – was dann?“ Wie lassen sich unter den veränderten Bedingungen also die „Ziele der allgemeinen Teilhabe am Erwerbsleben, des sozialen Ausgleichs und der sozialen Sicherung“ erreichen oder „wirtschaftliche Dynamik bei drastisch niedrigerem Energie-, Ressourcen- und Flächenverbrauch“ sicherstellen. Letztlich: wie lässt sich soziale Gerechtigkeit gewährleisten, ohne diese an ein Wirtschaftswachstum zu binden? Also, wie gut leben ohne uns unserer eigenen Lebensgrundlagen zu berauben?
Es sind dies Fragen, die, es sei erlaubt zu erinnern: zum Grundbestand der Reflexionskultur der Marienberger Klausurgespräche gehören. Es ist der Ausblick auf ein auskömmliches Leben in der Begrenztheit des menschlichen Daseins. Und es ist der Widerspruch zu jedwedem Programm der Zerstörung in der Tradition des benediktinischen Geistes.
Damit sind wir verbracht, wo wir seit einigen Klausuren um Einsicht in eine neue Ordnung ringen; sind aufgefordert, die Herausforderung anzunehmen und weiter zu tragen in die politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebensräume hinein – in denen wir Verantwortung haben und handeln. Wie dieses Weitertragen aussehen könnte, also welcher Kommunikationskultur wir uns hierfür bedienen müssen, damit das Neue auch gehört wird, dazu wird unsere dritte Referentin, Frau Heike Leitschuh, einiges vermitteln.